RA René Sasse: Kinesiologie nach wie vor im Coaching erlaubt
Jüngst war das Landgericht Hamburg mit der Frage befasst, ob Kinesiologie unter das Heilpraktikergesetz fällt und demnach eine Heilpraktikererlaubnis voraussetzt. Die Parteien haben sich gütlich geeinigt. Die Rechtslage kann wie folgt skizziert werden:
Es existiert sowohl ein heilkundlicher als auch ein nicht-heilkundlicher Bereich der Kinesiologie. Letzterer beschränkt sich auf eine Anleitung zur besseren Lebensbewältigung oder der Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konfliktlagen.
Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur solche Heilbehandlungen, die nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können.
Für die erlaubnisfreie Ausübung der Kinesiologie ist das Gefährdungskriterium maßgeblich. Tätigkeiten fallen nur dann unter die Erlaubnispflicht, wenn sie nennenswerte Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben können. Dazu zählen auch mittelbare Gefährdungen, wenn durch die Behandlung ein frühzeitiges Erkennen ernster Leiden verzögert wird und die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung nicht nur geringfügig ist. Eine solche Gefahr besteht insbesondere dann, wenn die in Rede stehende Heilbehandlung als eine die ärztliche Berufsausübung ersetzende Tätigkeit erscheint.
Um dies zu verhindern, sind die Klienten vor Aufnahme der Behandlung ausdrücklich darüber aufzuklären, dass keine Heilkunde ausgeübt wird und weder Arzt noch Heilpraktiker ersetzt werden. Beispielsweise durch einen Hinweis:
„Ich bin selbständiger Coach und biete eine allgemeine Lebensberatung an. Meine Beratung ersetzt keinen Arzt, Heilpraktiker oder anderen Therapeuten. Sie kann nur als energetische Ergänzung betrachtet werden. Ich behandele keine Krankheiten.“
Sofern diese Grenze nicht überschritten wird, darf auch der „kinesiologische Muskeltest“ für die Durchführung der allgemeinen Lebensberatung genutzt werden. Dieser Test ist gänzlich ungefährlich und mit keinerlei Gefährdungen des Patienten verbunden. Eine Einstufung als Heilkunde könnte allein daraus resultieren, dass mittelbare Gefährdungen hervorgerufen werden. Deshalb dürfen von einem Coach mit dem Muskeltest keine Krankheiten diagnostiziert werden. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, es werde Heilkunde ausgeübt.
Entspannungstechniken und Maßnahmen zur Prävention. Maßnahmen zur Krankheitsvorbeugung und zum Zwecke der Gesunderhaltung sowie der Gesundheitsförderung sind erlaubnisfrei.
Diese Vorgaben sind auch bei jeder Werbemaßnahme zu beachten. Es darf z.B. auf der Webseite nicht der Eindruck erweckt werden, es würden Krankheiten kuriert.
Vermerk von Rechtsanwalt Dr. jur. René Sasse vom 29.05.2020
Chemnitzer Straße 126 - 44139 Dortmund
29.06.2020