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Darf man alles träumen?

Darf man alles träumen?

Diese Frage stellte mir eine Klientin mittleren Alters bei einem Gesprächstermin in meiner Praxis.

Ja man darf, da sich Träume nicht steuern lassen.

Was ist träumen und der Traum?

Sicher gibt es oft aktuelle Ereignisse, die unser Gehirn während des Schlafs als Traum aufarbeitet und als Wahrträume erscheinen. Aber der Traum als solches und seine Deutung begleitet die Menschheit seit sie denken und sich in Form von Sprache, Bildern und Schriftzeichen verständigt.

Unter allen erforschten Kulturen und Religionen hat das Träumen seinen Rang und wurde entsprechend interpretiert. In primitiven Kulturen hielt man den Traum für eine außerkörperliche Wanderung der Seele. Der mesopotanischen Kultur dienten Traumhauch-Hütten neben den Tempeln als Traumfänger um die Omen zu deuten. Priesterinnen legten im antiken Griechenland die Träume der Pilger dar.

In biblischen Schriften finden sich Traumschilderungen, die häufig als Prophezeiung künftigen Geschehens gedeutet wurde. Zu erwähnen wäre hier die Traumdeutung Josefs in Ägypten von den sieben fetten Jahren und sieben mageren oder Jakobs Traum von der Leiter , welche bis zum Himmel reicht.

Selbst bei Fabeln, Sagen und Märchen erkennt man Passagen die auf  Träume basieren. Denn hat die Geschichte immer Realitätsanspruch und subjektive Wahrnehmung oder ist vom Erzähler ein objektives Geschehen mit eigenen Träumen vermischt weitergegeben worden.

Im Laufe der Jahrhunderte kristallisierte sich dann de Grundlage der heutigen psychologischen Traumdeutung heraus. Schriftsteller, Philosophen und andere Intellektuelle wie Voltair, Kant, Leibnitz und Goethe ließen sich von Träumen faszinieren. Bis letztendlich S.Freud, der Begründer der Psychoanalyse die moderne Traumdeutung als Basis festlegte und von C.G. Jung ausgereift wurde.

Im Gespräch schilderte die Frau ihren Traum aus dem Teenager alter, der sie fast vierzig Jahre ihres Lebens belastete. Die Chance im Gedankenaustausch dieses Begebenheit aufzuarbeiten hatte sie nicht. So taucht dieses Phantasiegebilde immer wieder in ihren Gedanken auf.

In dieser Fiktion wurde sie mit dem Tod ihrer Mutter konfrontiert und das auf grässliche Art und Weise. Sie schilderte mir wie sie mit ihrem Vater in der Scheune arbeitete als plötzlich ein Kopf aus einem Berg Futter heraus kullerte. Ihr Vater und sie standen regungslos da, nur die Worte: „das ist Mutter“ fielen.

Meine Klientin schämte sich für diesen Traum. Denn das oberste Gebot in der Familie hieß: „eine Mutter ist unersetzlich und fehlerfrei und muss geliebt werden“. Folglich äußerte sie sich nie zu diesem Geschehnis.

Ca. fünf Jahre später starb ihre Mutter an Krebs.

Ihr Traum hat gewiss nichts mit Hellseherei zu tun, sondern spiegelt das Unbewusste einer Jugendlichen.

Emotionen musste sie unterdrücken, Achtsamkeit unter Geschwistern, als Grundlage für Harmonie im Familienleben, konnte die Mutter nicht vermitteln. Das Raster das ihre neun Jahre ältere Schwester und die Mutter weitergaben entspringt einem Zeitabschnitt, der besser in den Geschichtsbüchern steht – als Mahnung.

In ihrer Kindheit lebte diese Frau mit Großeltern, Eltern und zwei älteren Geschwister in einem Haus. Die Einteilung und Funktion einer Familie nimmt ein Kind mit dem Heranwachsen unwillkürlich wahr, ob aus Kindergeschichten, Texten aus dem Lesebuch der Schule oder den  Familien von Schulfreundinnen. Diese Positionierung stimmte in ihrer Familie nicht, nirgends in ihrem Umfeld konnte sie Vergleichbares beobachten.

Ihr Schwester wachte akribisch darüber, dass sie mit der rechten Hand malte und schrieb, bestimmte die Kleiderordnung, selbst das Essen legte sie fest.

Im Gegenzug sollte sie noch dankbar sein, wie sie umsorgt wurde. Das Ordnungssystem ging soweit, das meine Klientin während des Begräbnisses ihrer Mutter keine Emotionen zeigen durfte.

An Hand von zeitgemäßen Traumsymbolen konnte ich meiner Klientin Hilfestellung geben und beruhigen und ihr Selbstwertgefühl steigern.

Der Traum ist verschlüsselte Botschaft des Unbewussten und bringt Gefühle, die nicht gezeigt werden dürfen zum Ausdruck. Sie spiegeln die ureigene Erfahrung, Hoffnung, Wünsche und Konflikte wieder.

Ingrid Frank
Kursleiterin für PM
psychologische Beraterin

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