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Aktuelle Meldungen

Aktuelle Urteile: Schlangengift, Eigenblut und Illegales Aufspritzen

In den letzten Wochen haben uns im Verband drei Urteile beschäftigt.

1. Das „Schlangengifturteil“ des Oberlandesgericht (OLG) München (Urt. v. 25.03.2021, Az. 1 U 1831/18):

Eine an Gebärmutterhalskrebs erkrankte Frau hatte die von ärztlicher Seite angeratene Strahlentherapie abgebrochen, dann setzte die Patientin auf eine Therapie mit Schlangengift und verstarb.


Jetzt muss die behandelnde Heilpraktikerin sechs Jahre nach dem Krebstod der Frau 30.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Außerdem wurde sie zur Zahlung von Schadenersatz für den entgangenen Kindesunterhalt verurteilt. Die Heilpraktikerin ist nicht haftpflichtversichert.
Als abzusehen war, dass sich der Zustand der Patientin konstant verschlechtert, hätte die Heilpraktikerin ihrer Patientin raten müssen, die Strahlentherapie wieder aufzunehmen.

In einem Fall im Jahr 2015 urteilte das Amtsgericht Ansbach, also auf einer unteren Rechtssprechungsebene in einer Einzelfallentscheidung (Az.: 2 C 1377/14) anders:

„Obwohl ein Heilpraktiker aus dem Landkreis Ansbach nach ausbleibendem Behandlungserfolg seinen Patienten nicht an einen Schulmediziner weiter verwies, ist er nicht dazu verpflichtet seinem Patienten ein Schmerzensgeld zu zahlen. Der Kläger hätte aufgrund seines Leidensdrucks auch als Laie die Notwendigkeit eines erneuten Arztbesuches erkennen müssen.“


Wo ist der Unterschied zum o.g. Fall?

Im Fall Ahnsbach war die zuvor schulmedizinisch erfolgte Therapie erfolglos geblieben und es lag keine akute Gesundheitsgefährdung des Patienten vor.

„Ein Heilpraktiker dürfe davon ausgehen, dass ein Patient, der zu ihm komme, weil die schulmedizinische Behandlung erfolglos war, sich bewusst von der „Schulmedizin“ ab- und alternativen Behandlungen zuwende.“

„Anders verhielte es sich lediglich, wenn sich der Patient in einem erkennbar akuten Zustand einer erheblichen Gesundheitsgefährdung befinde, der eine umgehende schulmedizinische Behandlung erforderlich macht. Dass ein solcher Zustand vorgelegen hatte, bezweifelten die Richter jedoch aufgrund der Aussage des Sachverständigen und der Dokumentation der Praxisklinik, in die der Mann sich schließlich begeben hatte.“

Im Fall der an Gebärmutterhals verstorbenen Patientin hätten mit der begonnenen Strahlentherapie gute Heilungschancen bestanden. Der Abbruch sei lediglich aufgrund der Nebenwirkungen der Strahlentherapie erfolgt. Das Absetzen kam nach Auffassung der Ärzte einem Todesurteil gleich.

Laut Sachverständigem sei es „eindeutig zu erkennen gewesen, dass bei der Patientin hinsichtlich ihrer Erkrankung erhebliche Unsicherheit und zunehmende Angst bestand und sie - trotz der ärztlicherseits erfolgten Aufklärung - die Folgen eines Abbruchs der Strahlentherapie sowie die Erfolgsaussichten einer palliativen Therapie mit der Horvi - Enzymtherapie falsch einschätzte“.

Das hätte die Beklagte erkennen müssen und  die Patientin erneut auf die Folgen eines Therapieabbruchs der Strahlentherapie hinweisen müssen.


Aus dem Urteil geht weiterhin hervor:

  1. Die Beklagte hat nicht ausreichend (therapeutisch) aufgeklärt und ist damit vom Standard einer sorgfältigen Heilpraktikerin negativ abgewichen.
  2. Sie war nicht hinreichend qualifiziert, die naturheilkundliche Betreuung einer onkologisch erkrankten Patientin auch nur im Sinne einer Begleittherapie zu übernehmen.
  3. In der Fachliteratur für Heilpraktiker wird ausdrücklich davon abgeraten, Horvi-Therapie bei onkologischen Patienten einzusetzen.
  4. Es fehlte jegliche Dokumentation zu Art und Umfang der Aufklärung.




An dieser Stelle möchten wir Ihnen deshalb ans Herz legen…

  1.    sich (nochmal) ausführlich mit dem Patientenrechtegesetz und damit mit Ihren Aufklärungs-, Dokumentations- und Sorgfaltspflichten vertraut zu machen.

 

Hier haben wir das Patientenrechtegesetz ausführlich für Sie erklärt:
www.paracelsus.de/magazin/ausgabe/201905/recht-in-der-praxis-5

Als Hilfestellung finden Sie im internen Mitgliederbereich unter „Downloads“ außerdem mehrere Checklisten für Ihre Dokumentation.

 


  1.  sich regelmäßig laut unserer BOH fortzubilden


    Die Paracelsus Heilpraktikerschulen sind unser Partner für Lebenslanges Lernen im Heilpraktikerberuf: www.paracelsus.de

  2.  wenn nicht bereits geschehen, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen


    Hier geht es zu unserem Versicherungspartner der Continentalen: www.continentale.info/vuh-anforderung/


Links:


Grundsätzlich gilt: Heilpraktiker*innen dürfen Patienten bei schwerwiegenden Erkrankungen nicht im Glauben lassen, eine ärztliche Behandlung werde durch sie/ihn ersetzt (Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg Urteil vom 02.10.2008- Az.: 9 S 1782/08).

 
2. Das Eigenbluturteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen (Az. 9 A 4073/18; 9 A 4108/18; 9 A 4109/18)

 

Nach Ansicht des OVG des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Eigenblutentnahme durch Heilpraktiker zu Recht untersagt. Laut Pressemitteilung des Gerichtes hatten drei „Homöopathen“ (gemeint sind Heilpraktiker) aus Borken, Nordwalde und Senden geklagt. Gegenstand der drei Berufungsverfahren waren unterschiedliche Formen der Eigenbluttherapie. Das OVG die erstinstanzlichen Urteile des Verwaltungsgerichts Münster bestätigt und die Berufungen der betroffenen Heilpraktiker*innen zurückgewiesen.


Wir können das Urteil nicht nachvollziehen.


Denn erst im August 2020 hatte das Verwaltungsgericht Osnabrück in einer Einzelfallentscheidung zwei Formen der Eigenbluttherapie erlaubt.

 

Zwar handelte es sich bei dem Urteil des VG Osnabrück nicht um höchtstrichterliche Rechtsprechung, die insofern von Bedeutung ist, als dass sie bei der Rechtsauslegung als Orientierung für andere Gerichte dient. Dennoch handelte es sich um eine schlüssige und vielversprechende Argumentation, die bei der Entscheidung des OVG des Landes Nordrhein-Westfalen hätte Berücksichtigung finden können.


Das VG Osnabrück legte den Begriff der „homöopathischen Eigenblutprodukte“ wesentlich weiter, und damit unserer Meinung nach angemessener, als das Verwaltungsgericht Münster im September 2018 aus und hielt „diejenigen Formen der Eigenblutbehandlung für zulässig, die für Patienten mit einem geringeren Risiko verbunden sind als die Eigenbluttherapie nach den Vorgaben des Europäischen Arzneibuchs oder der Pharmakopöen der Mitgliedstaaten.“


Nicht Beachtung gefunden hat auch das Urteil des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 17.01.2012; Az: VI ZR 336/10) aus dem Jahr 2012, der die Anwendung von Eigenblut mit dem Zusatz von Homöopathika als „gebräuchliche Form“ der Eigenbluttherapie eingestuft hatte und sein Ergebnis auf allgemeinere Quellen (z.B. den Pschyrembel und nicht ausschließlich auf die im Arzneimittelgesetz genannten Arzneimittelbücher (AMG § 4 Abs. 26) gestützt hatte.


Wir hatten bereits im Paracelsus-Magazin 6/2018 ausführlich über die „Eigenbluttherapie im Spannungsfeld des Transfusionsgesetzes“ berichtet.


Sinn und Zweck des TFG war ursprünglich, die Gefahren, die von Fremdblutspenden ausgingen und ausgehen abzuwehren und lediglich die „autologe Hämotherapie“ („auto“ griech. = „selbst“), bei welcher der Patient im Rahmen operativer Eingriffe seine eigenen Blutprodukte zurückerhält, mitzuregulieren.

Der Gesetzgeber verfolgte also nicht die Absicht, die klassische Eigenbluttherapie oder ozonisierte Eigenbluttherapie, wie sie in ärztlichen- oder Heilpraktikerpraxen angewendet wird, zu regeln.

 

Es ist sogar umstritten, ob die „perioperative Gewinnung von Eigenblut“ überhaupt unter den Begriff der Spende fällt (Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 2 TFG Rn. 3).

Deshalb ist nicht nachvollziehbar ist, warum auch das OVG Nordrhein-Westfalen, weit entfernt vom ursprünglichen Zweck des TFG, die gesetzlichen Grundlagen des Blutspende- und Transfusionswesens dem Heilpraktikerwesen übergestülpt.


Den betroffenen Heilpraktikern steht es nun offen, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen, über die dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden wird.


Mitgliedern, die Auseinandersetzungen mit den Behörden haben, stellen wir eine Stellungnahme zu „Eigenblutbehandlungen von Heilpraktikern außerhalb von homöopathischen
Eigenblutprodukten“ zur Verfügung.


Seit August 2019 erschwert zusätzlich das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) die Rückgewinnung der Eigenbluttherapie: Blutzubereitungen humanen Ursprungs, - zur arzneilichen Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper gelten seitdem klar als verschreibungspflichtig.



Weiterführende Informationen:

 

3. Das Urteil des Amtsgericht Berlin-Tiergarten zum Thema „Illegales Aufspritzen“ (Az. unbekannt)

Erst 2019 wurde am Landgericht Bochum der Fall der Influencerin Duygu Ö. (29) verhandelt, die sich in sozialen Netzwerken als Heilpraktikerin ausgegeben hatte und illegal Hyaluron in die Lippen und andere Gesichtsbereiche gespritzt hatte. Zwei Jahre und acht Monate sollte sie dafür ins Gefängnis. Jetzt geht das Verfahren in Revision, das entschied der  Bundesgerichtshof in Karlsruhe.


Jetzt hat eine Frau aus Berlin („Botox-Larissa“) zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden, ebenfalls weil sie sich der unerlaubten Ausübung der Heilkunde schuldig gemacht hat und wegen gefährlicher Körperverletzung.


Wir haben Heilpraktikerin Yvonne Mayer-Hackmann, 1. Vorsitzende des Verband „Netzwerk Heilpraktiker für ästhetische Medizin“ zum Thema befragt:


Woran erkennt man einen illegalen Spritzer?


Y. M.-H.: Faltenunterspritzungen unterliegen der Heilkunde, d.h. nur Ärzte oder Heilpraktiker dürfen diese Behandlungen durchführen. Illegale Unterspritzer verfügen demnach über keine ärztliche Approbation oder eine Erlaubnisurkunde zur Ausübung der Heilkunde. Die Angaben zur Legitimation finden sich zumindest im Impressum eines Internetauftritts. Auch auf social-media Plattformen ist es für Unternehmen Pflicht, ein Impressum zu hinterlegen.


Viele illegale Unterspritzer geben dann in ihren Profilen bzw. auf ihren Seiten an, sie seien „HPA“, also Heilpraktiker in Ausbildung. Aber selbst wenn dem so sein sollte, so dürfen diese bis zum Erhalt ihrer Erlaubnisurkunde keine Behandlungen am Patienten durchführen. Echte Heilpraktiker in Ausbildung wissen um die rechtliche Lage und missachten diese eher nicht, da ihnen die Erlaubnis sonst verwehrt oder entzogen werden könnte.


Auch Krankenschwestern u.ä. Berufsstände dürfen nicht eigenständig ästhetische Behandlungen durchführen, auch sie brauchen eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde (als Heilpraktiker).


Woran erkennt man einen seriösen ästhetisch arbeitenden Heilpraktiker?


Y. M.-H.: Seriöse ästhetisch arbeitende Heilpraktiker achten darauf, dass auf ihren Internetauftritten auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass es sich hier um Heilpraktiker handelt. Lassen Sie sich im Zweifel im Beratungsgespräch die Erlaubnisurkunde zeigen, sowie die Zertifikate der entsprechenden Fachfortbildungen. Seriöse ästhetisch arbeitende Heilpraktiker besuchen regelmäßig - wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht - Fachfortbildungen, um immer auf dem neuesten Stand zu sein, wenn sie nicht gerade selber ausbilden.


Weiterhin erkennt man in einem Beratungs- und Aufklärungsgespräch die Seriosität eines Behandlers. Hat er einen umfangreichen Aufklärungsbogen, den er mit Ihnen durcharbeitet? Klärt er Sie über sämtliche mögliche Risiken und Nebenwirkungen auf? Lässt er Ihnen die nötige Zeit zur Entscheidungsfindung, oder drängt er Sie in eine Behandlung hinein? Ist er ausgebildet, mit eventuellen Komplikationen umgehen zu können? Das sind alles Fragen, die Ihnen ein seriöser Behandler souverän beantworten wird.

Links:

 

Stand 05.2021